Es ist wahrscheinlich einer der berühmtesten Sätze von Jesus: „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“ So steht es im 10. Kapitel des Markus-Evangeliums. Die Botschaft ist an sich nicht überraschend: Reichtum verträgt sich bei Jesus nicht mit dem Reich Gottes, jedenfalls nicht der Reichtum, der mit Geld und Gütern zu tun hat. Es ist das Bild, das hier verblüfft: Wie kommt Jesus auf ein Kamel?
In der christlichen Bibel gibt es nur noch eine weitere Stelle, in der Jesus das Wüstentier erwähnt: "Wenn eine Fliege in die Flüssigkeit gefallen ist, die ihr trinken wollt, schüttet ihr alles durchs Sieb, um sie herauszunehmen, doch Kamele schluckt ihr herunter." (Mt 23,24) Das ist an die Pharisäer gerichtet, denen Jesus hier wieder einmal vorwirft, dass sie Nebensächlichkeiten sehr wichtig nehmen, aber das Entscheidende nicht begreifen.
Auch an dieser Stelle fällt auf, dass es Jesus vor allem um die Größe des Tieres geht. Er spricht von einem Kamel, weil es größer ist als ein Schaf oder ein anderes Tier, das näher an den alltäglichen Wirklichkeiten in Galiläa und Judäa war.
Spontan würde man bei der Stelle vom Kamel und vom Nadelöhr wohl sagen: das ist ein absurder Vergleich. Das ist ja völlig unmöglich. Und so ist es auch gemeint: als eine radikale Absage. Reiche Menschen kommen bei Jesus nicht in den Himmel. Es sei denn, Gott lässt sie doch ein. Es gibt also noch eine größere Macht, eine Hintertür, das ist die Allmacht Gottes, die sogar ein Nadelöhr breit genug für störrisches Tier machen kann.
In der Überlieferung der biblischen Texte haben sich die Schreiber ab und zu gefragt, ob Jesus das wirklich so gesagt haben soll. Manche haben sich mit einer eleganten Lösung beholfen: sie schrieben kamilos anstelle von kamelos, so wurde aus dem Kamel ein Schiffstau. Auch im Aramäischen, in der gesprochenen Sprache Jesu, sollte das funktionieren: gamta (Tau), gamla (Kamel). Damit ist ein wichtiger Punkt benannt: wenn das Wort tatsächlich auf Jesus zurückgeht, dann hat er es ja nicht auf Griechisch gesprochen. Die Lösung, dass de facto von einem Seil die Rede war und nicht von einem Kamel, müsste also in beiden Sprachen funktionieren. Nach Meinung vor allem von Bibelkritikern tut sie das auch. Ein Seil ist auch immer noch deutlich zu dick für ein Nadelöhr, aber schon ein bisschen näher am Bild von der Nadel und vom Faden.
Mir war diese Variante auch geläufig. Inzwischen aber halten die meisten Forscher den ursprünglichen Wortlaut für authentisch. Ein aktuelles Beispiel für diese Position habe ich in einem neuen Buch des sehr verdienstvollen Exegeten Klaus Berger gefunden: Ein Kamel durchs Nadelöhr? Der Humor Jesu (Herder Verlag).
Berger fragt sich auch: Warum gerade ein Kamel? „Ein Kamel ist nicht nur verhältnismäßig groß, es ist auch in der Regel noch halb wild, wenn auch genügsam. In der vorgestellten Szene denkt der Mensch, der im Orient lebt, an ein Wesen, das schwer durchschaubar und nicht leicht beherrschbar ist, das innerhalb der Straßen und Wege menschlicher Siedlungen immer ein Stück Wüste bleibt.“
Mit dem Humor von Jesus ist es in dem Buch ein bisschen so wie mit allen Witzen, wenn man sie erklärt: Sie verlieren an Wirkung. Jesus war zweifellos ein sehr origineller Prophet, er kam auf Gedanken, die seine Jünger immer wieder überforderten, und die Zuhörer auch. Er dachte häufig in Widersprüchen, auch in nicht lösbaren. So kam er machmal auf – wie der Talmud das nennt – undenkbare Gedanken.
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